Hotel Naipaula

Im 13xx lebt schon über neunzigjӓhrig Henri Alleg. Er kam in London 1921 als Harry Salem zur Welt, wollte aber wohl nicht den auf Melchisedek zurückgehenden Namen JeruSalems tragen. Bald zog er mit seinen Eltern, die noch in Kongresspolen gelebt hatten, nach Paris. Ohne diese ging er 1939 nach Algerien, wo er als Journalist und dann Chefredakteur für die Unabhӓngigkeit des Landes von der Kolonialmacht Frankreich kӓmpfte und bald auch Mitglied der dortigen kommunistischen Partei wurde. Nachdem seine Zeitung, der “Alger Républicain” 1955 verboten wurde, ging er in den Untergrund, versuchte aber weiter, seine Artikel in der französischen “L’Humanité” zu veröffentlichen. Oft gelang es der französischen Zensur, dies zu verhindern. Bald wurde auch er – von den Fallschirmjӓgern der 10. Armee – verhaftet, ins Gefӓngnis geworfen und verschiedentlich gefoltert. Hinter Gittern schrieb er sein Buch “La Question” (Die Frage: so wurde die Folter früher genannt. Als diese mit der Französischen Revolution abgeschafft wurde, dachten viele – aufatmend, nach hartem Waterboarding – sie sei nun für immer ein Gespenst der Vergangenheit. Sie hatten nicht mit dem 20. Jahrhundert und den folgenden gerechnet……J.P. Sartre, der das Vorwort zu dem Buch schrieb, meinte, Hitler sei keine einmalige Erscheinung gewesen. Zitat Colonel Mathieu, einer der Befehlshaber der Fallschirmjӓger: “Lassen Sie uns prӓzise sein: Das Wort ‘Folter’ kommt in unseren Befehlen nicht vor. Wir stellen Fragen – questions – wie es in jeder Polizeioperation gegen eine unbekannte Bande getan wird.” Gemeint ist in Allegs Buch aber auch die Frage: Was bedeutet es, ein menschliches Wesen zu sein? In Algerien kursierte unter den französischen Truppen, in deren Rӓngen (Fremdenlegion!) wohl auch ehemalige SS-Leute zu finden waren, das Wort: “Hier wird französisch befohlen und deutsch getötet”. Ja, und diese selben Franzosen bezeichnen heute mehrheitlich das Töten von Armeniern als Völkermord).

Spӓter floh Alleg in die Tschechoslowakei und kerhte erst nach dem Friedensabkommen von Evian nach Algerien zurück. Ausgerechenet die erste arabische Regierung unter Boumedienne verwies ihn des Landes. Ein Jude kann eben nicht proarabisch sein.

Nun wohnt er im Land seiner Peiniger. Absurd, gell? Aber wer wohnt schliesslich da nicht? Naipaula fühlte mit ihm und vermietete ihm obiges Zimmer für ein Inschallah.

aus: “Die Strasse der schönen Leute”

Hakans Pension

Wir werden ein paar Tage da verweilen, den es gibt über einige von Hakans Gästen zu berichten.

3. Luana

Luana ist Portugiesin. Ob wohl deshalb ihr Haus kaum aufzufinden ist? Manchmal findet sie es selbst nicht wieder und muss dann bei Hakan übernachten. Ihre Geschichte erzählt sie so: Ich kam mit dem Guletkapitän ins Gespräch. Die Wellen rauschten. Der Wind riss mir den Hut vom Kopf: Er schaukelte wie ein buntes Boot davon. Wir sahen ihm nach. Der Kapitän meinte: Kriege ich ein Frühstück, wenn ich ihn wiederbeschaffe? Unmöglich, dachte ich und willigte ein. Als ich am nächsten Morgen vors Haus kam, um den Tisch zu decken, lag mein Hut darauf und der Kapitän sass daneben. Wir frühstückten in Eile, denn mein Kapitän musste nach Ankara, er war nämlich im Nebenberuf Opernsänger. Barkarole! Aber danach trafen wir uns wieder und es wurde bald mehr daraus. 25 Jahre waren wir verheiratet, heute bin ich Witwe aber lebe noch immer hier. Oh Captain, my Captain!

aus: “Die Strasse der schönen Leute

Hakan Pansyon

In Hakans Pension gehen die Leute ein und aus. Hinterm Empfangstresen sitzt nicht er selbst, sondern steinern ein älterer Night-Manager namens Görültücü Ali. Sein Englisch ist gebrochen. Er gibt Überraschendes von sich: “Man, you got a curse on you as sure as the moon rolls around the earth!” oder er erzählt seinen Lieblingswitz: Ist gut,dass die Amis kein Wasser auf dem Mars gefunden haben. Sie hätten sonst stantepede die Demokratie dorthin gebracht!

Wir werden ein paar Tage da verweilen, den es gibt über einige von Hakans Gästen zu berichten.

2. Zoė

Honkong-Zoe nannten wir sie, denn sie war dort im Grossstadtdschungel eine erfolgreiche Kauffrau gewesen. Sie machte Urlaub in Bodrum, verliebte sich in einen Guletkapitän, heiratete ihn und lebt nun seit vielen Jahren hier. “In der Strasse der schönen Leute”, sagt sie uns, “kann man leben. Und es ist sogar ein Platz zum Sterben!” Anfangs waren Schwierigkeiten aufgetaucht. “Es kommen Gäste!”, hatte ihr Mann gesagt, “mach uns was Gutes!”. In Honkong wie in den meisten ostasiatischen Städten geht man zum Essen aus, mittags zu einer der vielen Schnellküchen, die lecker gebratene Ameisenlöwen, Larven oder Hirschkäfer anbieten, abends ins Restaurant, etwa “Zur roten Laterne” Zoe hatte noch nie gekocht, aber praktisch wie sie war, schaute sie im Internet unter “Türkische Küche” nach und bereitete wunderbare Gerichte, Sarma, Köpeoğlu, Şakşuka, Deniz Börülcesi, Imam Bayıldı und Hünkâr Beğendi zu. Käptn Bedri konnte so ordentlich mit seiner Hausfrau angeben. Wenn ihr Mann auf See ist, kontrolliert sie Hakans Bilanzen.