4. Gabi
Sie ist nun vor einem Jahr selbst schon gestorben. Aber ihre Geschichte kann mit allen mithalten. Allerdings kommen darin Guletkapitäne nur am Rande vor. Sie kam als Hippiemädchen von Kollmar an der Elbe ins griechische Kos. Ihr Vater war dort Kantor, da er aber früher Kutterkapitän gewesen war, nannten ihn alle nur “Skipper Holt”.
Auf Kos lebte Gabi eine Weile mit ihrem Freund in einem leicht umgebauten VW-Bus. Da es an Wasser fehlte, wuschen sich die beiden, indem sie sich Ouzo hinter die Ohren rieben.
Gabi hörte von dem bekannten Jazzcafé in Bodrum und liess sich von einem Guletkapitän dahin übersetzen, sozusagen vom Griechischen ins Türkische. Im Jazzcafé erklang Thelonious Monk, Chet Baker und Sufle. Die Stimmung und die Beleuchtung waren blau. Ihnen gegenüber sass Ahmet, der Architekt. Und auch die Liebe fiel da hin! Ahmet und Gabi heirateten in der Folge. Ahmet erbaute ihr ein Traumhaus, das sich wie eine goldene Schlange am Hang hin erstreckte. Am einen Ende des langestreckten Gebäudes waren Bad und Toilette, gestaltet wie ein Hamam mit Kuppel und funkelnden Oberlichtern. Am andern Ende Küche und Terasse. Vom Herd aus konnte man in der Ferne das Bad sehen. Türen gab es im ganzen Haus nicht. Oberhalb lagen die Schlaf- und Wohnzimmer, unterhalb die Atelier- und Büroräume (Gabi war Malerin und Patchworkerin). Im Flur waren Bäume gepflanzt. Vor dem Haupteingang hingen an Ketten tonnenschwere Steine, denn sie kannten das Märchen vom Froschkönig. Es hätten viele Leute in dem Haus unterkommen können. Aber Kinder hatten die beiden nicht. Als die Bauarbeiten beendet waren, liessen die beiden sich scheiden. Gabi zog in die Strasse der schönen Leute und schlug sich mit verschiedenen Jobs durch. Inzwischen war ihr die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt worden. Um das zu regeln, fuhr sie nach Berlin, wo sie aber erkrankte und nach kurzer Zeit starb. Ihr Atelier liess sie zurück. Das letzte, unvollendete Bild war eine Gulet aus Stoffresten.