Hotel Naipaula

Der Eichelhӓher

Früher, so der Beschreiber heute, kannte ich nur Espresso-Hӓher oder Frauen-Hӓher, auf der oberen Terrasse sitzt jetzt aber ein struppiger Jungvogel einer benachbarten Eichelhӓher-Familie. Beim Anblick dieses Vogels, beschreibt der Beschreiber nachdenklich, muss ich immer an “Die Juwelen der Sӓngerin” denken, ach nein, das war ja die Elster. Wann wird sich das Gefieder des Jungvogels glӓtten? Aber stolz trӓgt er schon sein blau-weisses Korporalsabzeichen an beiden Flügeln. Der Beschreiber war selbst einmal Korporal gewesen, im Val d’Anniviers. Gerne denkt er an das Dorf da zurück. Damals hatte er 6 Rekruten, vier Maultiere und einen Esel befehligt. Der Esel trug nur Zaunpfӓhle – warum? Damit wir mit ihnen winken konnten? Nein, dachte der Beschreiber (schrieb es aber nicht nieder), sicherlich war es, damit die anderen Tiere jenseits der Baumgrenze an was festgebunden werden konnten. Rekruten brauchten net festgebunden werden, sie hingen an unsichtbaren Befehlsketten. Meichtry – der mit dem Vollmondgesicht (merkt ihrs?: jetzt beschreibt der Beschreiber wieder) – hatte zum Glück immer eine Flasche Rotwein dabei, da seine Eltern ein Weingut besassen. Mauvoisin oder Dole, was weiss ich (dachte der Bedenker).

Autoren

Manfred Bieler

Warum sind die Werke des DDR-Autors Bieler in der Versenkung verschwunden? Er ist doch ein perfekter Stilist und seine Plots sind verschlungen und umwerfend? Na klar gebraucht er ein wenig häufig “Wie ein…”-Metaphern und erzählt manche Witzchen zu oft…

Ich erinnere mich, drei Bücher von ihm gelesen zu haben (vielleicht waren es auch mehr, hatte damals ne regelrechte Bieler-Phase), den “Mädchenkrieg”, den “Bär” und den “Kanal”. Jedes dieser Bücher ist eng mit einer Stadt verbunden: Prag, Zerbst (wer von uns kennt Zerbst?) und München. Es hat einen Reiz, von jedem Roman nur eine – vielleicht vage – Erinnerung zu beschreiben. Mal sehn, ob Ihr diese lesend wiederfindet.

Der Mädchenkrieg: die Geschichte dreier sehr ungleicher Töchter mit sehr ungleichen Schicksalen. Viel Prag. Die Tram nach Bubenetsch. Professor Vavra, von der Liebe gestreift! Spannende Lektüre.

Der Bär: die Elbe, das Leben der jungen Kathatrina (später “die Grosse” von Russland), urwüchsige Anhaltiner. Sich nicht verbiegen. Bieler hat es geschafft, dass Zerbst (wo ich nie war) bis heute einer meiner Sehnsuchtsorte ist!

Der Kanal: Nymphenburg. Verliebtheiten und Seitensprung. Obzönitaten, ungefragt ins Ohr geflüstert. Und vor allem ein viele Meter langes Modell aus Porzellan…

(Ich sah, dass Bielers Bücher bei Medimops für 3-4 Euro zu haben sind…)

Hotel Naipaula

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Ganz aussen auf der Klippe steht der kleine, weisse Leuchtturm. Nachts sendet er einen Lichtstrahl immer im Kreis herum, so dass auch dem Besoffensten auf der Halbinsel bewusst wird: Halt! Hier ist die trockene Gegend zu Ende!! Zwei Haie, die auf ihrem Weg nach Zypern vorüberschwammen, unterhielten sich darüber. Was sagt der Leuchtturm? Achtung! Hier Klippen! Gefahr! Donnerwetter, du kannst Leuchttürmisch?

Tagsüber stand die Königstochter aussen vor den 12 Fenstern, wo eine Balustrade ringsrum führte. Sie schaute weit über die Gegend, auf der Suche nach ihrem Selbst. Dieses aber hatte sich in ein kleines, pelziges Tier verwandelt und nahe ihrem Dutt unter ihrem Kopftuch versteckt. So konnte sie es nirgends finden, so gründlich sie sich auch umschaute, denn immer sass es ihr im Nacken. Von dort aus konnte sie seine Stimme ohne Unterlass flüstern hören, jetzt gerade: “Jede Sau wirft im Jahr mindestens acht Ferkel. Wenn nun ein Führer sein Volk auffordert, jede Familie möge soundsoviele Kinder gebӓren und grossziehen, so behandelt er seine Leute wie Tiere. Oder etwa nicht?” Die Prinzessin runzelte nervös die Augenbrauen, entschloss sich aber, darüber weiter nachzudenken..

Shanghaiing

This is the name for pressing people illegally to serve on a ship or in the army. It is rare that the name of a town becomes a noun (Jack London), extremely rare to become a verb; we never say “bristoled” or “salisburied”. “Shanghaiing” was created because many of the ships with pressed crews headed for Shanghai or came from there. As such word it found entry in our common language. Do you know Jim “Shanghai” Kelly, who run several boardinghouses and a great number of bars in San Francisco (from where he always had some people to shanghai) and his legendary “Birthday-Party”? He invited to this behalf all his friends on a ship, had later on put opium in the whisky and was then shanghaiing all those tumbling men.

Shanghaiing was a well known practice in brothels – that fact didn’t have the effect, that the whorehouses were closed – nobody however tells about such practices in churches.

Schanghaien

“Shanghaien” wird die Praxis, Leute gegen ihren Willen zum Dienst auf Schiffen zu pressen, genannt. Sehr selten wird ein Ortsname zum Hauptwort (Irving Berlin), fast nie aber zum Verb; wir sagen nie “ich war düsseldorfen” oder “is gebonnt” (nach der alten Bundeshauptstadt). “Schanghaien” kommt wohl daher, dass sehr viele Schiffe mit gepressten Mannschaften nach Shanghai – oder von dort aus in die Welt hinaus – unterwegs waren (“Schiff ahoi – fahr mich nach Shanghai!”). Legendȁr ist der Crimp (Berufsbezeichnung für Schanghaier) Jim “Shanghai” Kelly, der in San Francisco einige Hotels und unzȁhlige Bars betrieb und von dorther stetiges Material für seine Tȁtigkeit bezog. In Erinnerung blieb seine “Geburtstagsparty”, zu der er alle seine Freunde auf ein Schiff einlud, im Laufe des Abends dem Whisky Opium beimischen liess und anschliessend die weitgehend Bewusstlosen kurzerhand schanghaite.

Oft wurde auch in Bordellen schanghait, dass gleiches auch in Kirchen geschah, ist nicht bekannt.

Hotel Naipaula

max schreibt aber was anderes. über „nicht normative lexik“

Fluchen sei nämlich magisch: es versteht sich als Anrufung, mit deren Hilfe das dunkle Unterbewußte versucht, eine zumindest emotionale Kontrolle über Dinge zu bekommen, die seinem Zugriff sonst entgehen oder entgleiten.

herrgottsack

hueresiech

porco cane

couillon!

die beiläufigen gesten. plötzlich hast du einen andern ton. karsthöhlen voller skelettierter leichen. sind aber bereits vergessen und „oh, shit“ kommt dir völlig unbewußt und auch ohne nachgeschmack aus dem mund.

ja imel twaju mat

Verfluchen, verwünschen, wenige tun es nicht, aber wenige tun es bewußt. Wer schon ist sich zum Beispiel des Zusammenhangs zwischen dem heute (vor allem durch Fußballer verbreiteten) Ausspuckens und dem bei Jugendlichen alltäglichen „motherfucker!“, „ich fick deine Mutter!“ oder „Ja imel twaju mat“ klar? Denn gespuckt wird schließlich auf die Erde, Zitat Anatolij Koroljow: „…die bei uns als Mutter Erde ja mythische Bedeutung hat, ein bewußtes Verletzen dieses heiligen Spiegels des Seins“.

puttana

fica

hijo de puta

Fluchen ist immer auch Tabubruch, öffentliche Verhöhnung von sakralen, sittlichen oder staatlichen Verboten, hier des archaischen, das Geschlechtsleben der Mutter, vor allem der eigenen, anzutasten. Flüche kreisen immer nur um eine Handvoll von Tabuwörtern. Zuerst Skandal, werden sie Gewohnheit und vernichten das Tabu. Zugleich sind dann Flüche nicht mehr beleidigend. Durch Fluchen treten Gesprächspartner in eine bestimmte Vertraulichkeit, unzensierte Sprache unterstreicht die Nähe und sogar Intimität eines Verhältnisses. Vom ehemaligen russischen Premier Wiktor Tschernomyrdin wird überliefert, dass seine private Rede frei und leicht floss und die prächtigsten Flüche in der Höhe dreistöckiger Häuser von seinen Lippen tropften, während er vor öffentlichen Mikrofonen eben aus Gründen dieses öffentlichen Charakters kaum ein Wort herausbrachte. Wie die meisten liebte er trotz aller pädagogischen Zeigefinger der öffentlichen Meinung die „nicht normative Lexik“.

merde alors! quel salot de trou du cul! il me fait chier, vraiment.

Liebespaare hinwiederum unterstreichen zuweilen den Augenblick höchster Intimität, indem sie ihn sich mit gegenseitiger Nennung einschlägiger Wörter besiegeln. Bei Jugendlichen ist heute ein krasser Ausdruck geradezu ein Friedensangebot oder eine erste Kontaktaufnahme, auch die Mädchen sind dabei und erröten nicht mehr. Hey Arschfalte! rufen sie. Theaterstücke heißen heute „shoppen und ficken“ und Romane „Kak ja, kak menja“ (sinngemäß: wie ich vögelte und gevögelt wurde). Der Fluch, der sich in seiner Provokation sehr schnell abnutzt, wird zur Formel, zur Garantie des gerade Gesagten, zur Travestie des „Amen“. Wir sind im Bereich der Volkssprache, bei Menschen, die in allen Zeiten und Ländern ihrerseits den elaborierten Code der Oberschicht und der Herrschenden nie verstanden und diesen ihrerseits wie Leerformeln nachsprechen.

die mütter die väter die lehrer. schlimme worte. geh dir den mund auswaschen. va te faire enculer, salaud, avec tes charognes d’amis!

Im Schimpfwort ist die Sprache aber sehr viel lebendiger als im Aktenordner oder dem Kommuniqué. Man verfolge nur, wie viele Worte der Argot, der Slang, das Rotwelsch, die Materschtschnina, das Pidgin, die Volkssprache, für Prostituierte, für Geld, für Glied oder Vagina gebrauchen und fast ständig neu erfinden.

vaffanculo!

mortacci tua!

va a cagare, non mi rompere il cazzo!

Häftlinge entwickeln ein eigenes drastisches Vokabular, das wie eine Geheimsprache wirkt und von den Aufsehern nicht verstanden werden kann. Der Fluch wird zum Mittel des Überlebens. Umgekehrt versteht keiner von uns wirklich, was etwa Derivat oder Prawij uklon (Rechtsabweichler) heißen mag. Ungehemmt und frech nehmen aber viele Flüche schnell den Status von Modewörtern an und reisen um die ganze Welt und in die akademischen Spezialwörterbücher. Geil! Zynisch, nihilistisch und hedonistisch lachen sie über alle Versuche des offiziellen Sprachsystems, sie zu reinigen, abzuschleifen und einzuebnen..

rompipalle porco dio!

nachdenklich und stumm saß max. er sah mich nicht, hörte mich nicht kommen. ob die sonne schien oder welches stück von tom waits grade lief, nichts erreichte ihn.

putain de merde de connerie!

pura vacca!

follador de culos! chocho!

stronzo, ricchione, cazzo!

pis mahluk! ibne, ahmak!

aşağılık herif!

eşşoğlu eşşek!

pislik!

where is my fucking laptop?